27.04. - 06.06.2023

S O I L

Christine Jackob-Marks

Vernissage
Donnerstag, 27.04. 17:00-21:00 mit offizieller Einführung um 19:00

Das englische Wort soil fasst Themen zusammen, die den gesamten Schaffensweg von Christine Jackob-Marks prägen: der Boden, die Erde (Welt, Planet), der Grund (Ursache); to soil: verschmutzen, verunreinigen, besudeln. Im Zentrum der Ausstellung steht eines der Leitgenres der Malerin, die Landschaft im Wandel von den 1980ern bis hin zu den aktuellen Werkserien. Insbesondere die angegriffene, bedrohte Landschaft, in der etwas auf dem Spiel steht, ist repräsentativ für ihre Auseinandersetzung mit der Gefährdung der natürlichen Welt, die unsere Heimat und Lebensbedingung ist. Dabei beweist die Künstlerin Sensibilität für eine besondere, widersprüchliche Schönheit der Natur, die nicht trotz sondern gerade in Prozessen des Verwelkens, Ausdörrens und Verwesens unvergleichlich faszinierende, bizarre und phantasievolle Farbspiele entfaltet. Liegt schließlich nicht im Abgründigen und Hässlichen die eigentliche Zündkraft für Wandel und Neuerung, während pure Schönheit nur Selbstgefälligkeit kennt? 


Vergleicht man Christine Jackob-Marks’ Werke der letzten Jahre mit früheren Arbeiten zu Akt, Landschaft, Stillleben und Tierportrait, lässt sich eine Abwendung von der gegenständlichen Darstellung beschreiben. Bezeichnenderweise versteht die Malerin dies keinesfalls als eine Hinwendung zur Abstraktion. Ganz im Gegenteil: Wer ihrer künstlerischen Entwicklung folgt, wird insbesondere in den landschaftsbezogenen Bildern eine fortschreitende Verschärfung wesentlicher Gedanken finden, die das gesamte Oeuvre begleiten. Die treibenden Fragen wie „wo komme ich her?“, „wieso bin ich in der Welt?“, „was ist die Einheit des Kosmos?“ zeugen von einer unaufhörlichen Suche nach dem Wesen des Seins und verweigern jede einfache Lösung. Sah Dr. Peter Raue in Jackob-Marks’ Bildern den „Verlust der Unschuld der Landschaft“ aufgezeigt, so scheinen in ihnen heute die Schuld und Unschuld von Farbe, Form und Duktus sowie des Malprozesses selbst zur Verhandlung gestellt zu werden. Dies wäre die konsequente Zuspitzung des von der Künstlerin beschriebenen Credos: „das Gesehene zerstören, weil es nicht wirklich das Gesehene ist; es steckt eine andere Realität dahinter“. 


Ein Blick auf Jackob-Marks’ Weg seit ihrem Ausstellungsdebüt 1984 in Berlin macht bewusst, dass ihr künstlerischer „Grundton“ durch alle Variationen von Motiven und äußerer Form hindurch immer derselbe geblieben ist. Wie bei Faust die Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, mit der Verführung durch das Böse untrennbar verbunden scheint, so reicht sie immer wieder dem Zweifel und dem Unvertrau(t)en die Hand, um ihre künstlerische Arbeit voranzubringen. „Ich bin das Bild“, sagt sie, und hinterlässt die Frage, ob ihr künstlerischer Weg selbst die Antwort sei.

10.06. - 20.07.2023

Michael Dressel

9 HOURS APART. Photographie aus Berlin und Los Angeles

Vernissage
Samstag, 10.06. 17:00-21:00 | 19:00 Einführung von Dr. Enno Kaufhold

Das Leben von Michael Dressel erzählt eine außergewöhnliche deutsch-amerikanische Künstlerbiographie. 1958 in Ost-Berlin geboren, nach einem gescheiterten Fluchtversuch und zwei Jahren im DDR Zuchthaus erlebt er ein paar kurze aber intensive Jahre im wilden Prä-Mauerfall West-Berlin. Bereits vor dem Fall der Mauer findet er sich an der Westküste der USA wieder und macht Los Angeles zu seinem neuen zu Hause. Dort arbeitet er über Jahre als Sound Editor für zahlreiche, zum Teil mit Oscars und Golden Reels für Sound prämierte Hollywood Filme, darunter die letzten sechzehn Clint Eastwood-Filme, woraus seine Berufung in die Oscar Academy hervorgeht. Während dieser gesamten Zeit pendelt er regelmäßig zwischen beiden Metropolen — in beiden Städten zu Hause und gleichermaßen vertraut wie fremd. 

Die Reflektion auf die tägliche Erfahrung in der Welt der Stars und Hollywoodstudios und das Bewusstsein von deren letztendlicher Unzulänglichkeit  spielten von Anfang für seine photographische Arbeit eine besondere Rolle. Wie viele Menschen gibt es, die voller Träume und Hoffnungen nach Hollywood kamen und die nun im Schatten der „Traumfabriken" ihr Dasein fristen? „Auf dem Hollywood Boulevard, dem sogenannten „Walk of Fame" findet ein nie endendes Schauspiel voll tragischer, komischer, absurder und manchmal gefährlicher Situationen statt. In dieser Umgebung finde ich menschliche Szenarios, die oft zeitlos sind und über den konkreten Ort hinausweisen." (MD) Dass Michael Dressels Arbeit oft in die Rubrik der sozialen Dokumentation eingeordnet wird, trifft sein Anliegen nur unvollständig. Ohne Frage lässt sich der soziale Kommentar nicht von Photographien von Menschen trennen, von denen viele durch Armut, Krankheit, Drogen oder Schicksalsschläge an den Rand der Gesellschaft geraten sind. Für Dressel ist dies jedoch nur die oberflächliche erste Schicht seiner Bilder. 

Was ein Bild zu einem guten Bild mache, sei das Sichtbarmachen einer grundsätzlicheren Ebene, die wirke und gelte ungeachtet von Ort und Zeit der Aufnahme, ungeachtet von Klasse, Rasse, Herkunft oder Alter der Portraitierten.  Diesem Gedanken geht die Ausstellung nach und zeigt an der Seite der Photographien aus Hollywood und Los Angeles nun erstmals Aufnahmen aus Berlin. Die 9 Stunden Zeitunterschied zwischen den beiden Städten repräsentieren mehr als nur verschiedene Zeitzonen: „Wenn ich nach Deutschland komme, fühle ich mich oft, als würde ich aus einer gesellschaftlichen Zukunft kommen..."